Petersen Guitars

«Dynamisch!» (German)

Petersen «Belcanto»

Gert Petersen, Gitarrenbauer aus Hennef, fertigt hochwertige Gitarren nach Kundenwunsch. Beim neuesten Modell «Belcanto» hat er verschiedene Details seines Bauprinzips überarbeitet. Es ist nicht nur eine Alternative für reine Klassikgitarristen, sondern könnte auch stilistisch offenen Fusionisten zusagen, die auf der Suche nach dem optimalen Nylonstring-Sound sind.

Bei der Belcanto hat Gert Petersen ins Trickkästchen gegriffen und einige höchst interessante Baudetails verwirklicht. Besonderes Augenmerk werden wir auf die Bodenbebalkung und die zur Saitenebene angewinkelte Decke richten. Die Belcanto ist ein recht universelles Instrument. Klassiker können sich auf ihr ebenso wohl fühlen wie Saitenzupfer anderer Couleur. So zeigte sich etwa Konzertgitarrist Roland Dyens von dieser Gitarre im Anschluss an sein Konzert bei den Open Strings 2003 in Osnabrück begeistert und ist seitdem glücklicher Besitzer einer Petersen-Gitarre. Gert Petersen, selbst diplomierter Gitarrist, löst sich dabei keineswegs von den Traditionen und Standards des klassischen Gitarrenbaus. Er sucht vielmehr nach dem Besonderen, nach den subtilen Verfeinerungen, die ein Instrument individuell werden lassen.

Konstruktion

Das wichtigste Konstruktionsdetail, das die Belcanto zu einem hochindividuellen Instrument macht, ist die Anwinkelung der Decke. Im Klartext: Die Decke wurde schräg zur Saitenebene gestellt, der Korpus der Gitarre verjüngt sich somit in Richtung Hals. Die Maße für die Korpusdicke betragen am Hals 8,2 mm, am hinteren Ende 10,6 mm. Entsprechend wurde der Hals (und nicht nur das Griffbrett) bis zum Schallloch durchgezogen, der Abstand der Saiten zur Decke beträgt am 12. Bund etwa 2,2 cm. Die Handhabung ändert sich dadurch nicht. Gert Petersen verspricht sich von dieser Idee eine effektivere Schwingungsübertragung der Saiten auf den Korpus. Hörbare Effekte wären dann eine besonders schnelle Ansprache, größere Lautstärke und ein längeres Sustain.

Die Decke der Belcanto besteht aus massiver Alpenfichte. Ein optisch attraktives Holzstück mit ausgesucht dichter und gleichmäßiger Maserung wurde dabei verarbeitet. Das Schallloch ist von einem dunklen Holzring umrahmt, der wiederum mit zwei Herringbone-Kreisen nach außen abgetrennt ist. Boden und Zarge bestehen aus ostindischem Palisander mit intensiver Maserung. Eingefasst ist die Decke von einem mehrstreifigen Echtholz-Binding, dessen diagonales Motiv sich auch bei der Bodenfuge wiederfindet. Der Steg besteht aus Rio-Palisander; er trägt eine Einlage aus Knochen, die leicht nach hinten geneigt ist. Die geneigte Decke und der sich verjüngende Korpus sind deutlich wahrnehmbar, machen sich aber keineswegs unangenehm bemerkbar. Ein sichtbarer Effekt betrifft das Griffbrett. Normalerweise schließen Griffbrettunterkante und Deckenoberkante bündig ab, sprich der Hals ist im Grunde zu Ende und das Griffbrett wird auf der Decke weitergeführt bis zum Schallloch. Bei der Belcanto führt ein dreieckiger Holzspan unter dem Ebenholzgriffbrett bis zum Schallloch. Am 12. Bund schwebt so die Griffbrettoberfläche etwa 16 mm über der Decke. Das erwähnte Ebenholzgriffbrett ist übrigens auffallend dick und besteht aus gleichmäßig schwarzem Material. Die Bünde sind halbrund und mittelhoch, die Bundierung mit 19 Bünden ist sorgfältig ausgeführt. Der Hals besteht aus Cedro, Kopfplatte und Halsfuß sind aus einem leicht helleren Holz angesetzt und mit Palisander furniert. Die Mechaniken haben passend zum restlichen Design schwarze Holzflügel und arbeiten leichtgängig und zuverlässig. Die Belcanto ist mit einer handpolierten Schellackoberfläche ausgestattet, die dem Instrument eine schöne optische Tiefe verleiht.

Die gesamte Verarbeitung einschließlich der Oberflächenversiegelung ist auf höchstem Niveau ausgeführt; auch bei intensiver Suche waren keine Mängel oder Unsauberkeiten zu entdecken. Gert Petersen hat auch bei der Beleistung des Bodens eigene Ideen verwirklicht. Neben den üblichen Querverstrebungen sind drei längs verlaufende strahlenförmige Balken angeleimt, die vom Hals bis zum hinteren Ende des Bodens verlaufen. Auch daraus soll sich eine verbesserte Tonabbildung und eine klarere Artikulation ergeben.

Handhabung und Klang

Die Petersen Belcanto fühlt sich auf Anhieb vertraut und angenehm an. Dazu trägt auch die dünne Schellackpolitur bei. Hier kommt nie das Gefühl auf, das Instrument sei mit Lack geradezu «ertränkt» worden und stecke in einem klanghemmenden «Korsett». Das Gewicht der Gitarre ist angenehm gering, die gesamte Bauweise ist auf Leichtigkeit angelegt, ohne die Stabilität zu vernachlässigen. Das Halsprofil entspricht einem flachen D, die Abflachung wurde recht deutlich durchgeführt, was aber keinen Nachteil darstellt.

Die Saitenlage ist recht hoch justiert. Der Gitarrenbauer begründete dies mit der Verwendung dieser Testgitarre als Vorführmodell bei Meisterkursen, wo mit kräftigem Anschlag gespielt wird.

Für mein Empfinden war lockeres Spiel in dieser Einstellung gerade noch möglich, doch es ist selbstverständlich kein Problem, die Saitenlage genauestens auf eigene Bedürfnisse und den individuellen Anschlag einzurichten.

Die ersten Töne und Akkorde, die man der Belcanto entlockt, zeigen klar die klangliche Ausrichtung. Es geht ungemein spritzig zur Sache. Die Ansprache ist überraschend schnell und intensiv, die Art des Anschlags wird fast überdimensional umgesetzt, der Ton springt geradezu aus dem Instrument heraus. Das Petersen-Konzept für eine verbesserte Schwingungsentfaltung geht ebenfalls voll auf. Man spürt beim Spielen am Körper die Reaktion der Gitarre, die mit verblüffender Anschmiegsamkeit dem eigenen Spiel folgt und eine außergewöhnliche Dynamikumsetzung an den Tag legt. Tatsächlich dürfte es keine noch so subtile Spielnuance geben, die von dieser Gitarre nicht umgesetzt würde. In der Hand des geübten Spielers, der mit hoch entwickelter Artikulation und Technik spielt, ist die Belcanto ein hervorragendes Musikinstrument. Diese Gitarre ist in der Lage, den emotionalen und klanglichen Gehalt des Gespielten nicht nur akkurat abzubilden, sondern fast ein wenig zu überhöhen. Mit guter Technik gespielt, wird sie den Gitarristen in allen musikalischen Situationen inspirieren. Der Klang ist tendenziell leicht und luftig, aber doch von einer fundamentalen Wucht, die dafür sorgt, dass man die Stimme dieses Instruments immer hören wird.

Die Bässe sind straff und sonor, bilden eine tragfähige Basis und werden sicher nie mulmen oder undifferenziert klingen. Der Mittenbereich ist von warmem Timbre, ohne jedoch die Tiefmitten zu betonen. Diese Gitarre spricht ohne jede Anmaßung eine deutliche Sprache, sie hat Persönlichkeit, Ausstrahlung und Charakter. Im oberen Frequenzbereich glänzt es silbrig-fein, das ist rund und edel, ohne je ins Spitze, Vorlaute abzugleiten. Meiner persöhnlichen Klangvorstellung kommt die Petersen Belcanto sehr entgegen. Die beschriebenen Klangeigenschaften sind zudem sehr homogen und verlässlich über den gesamten Tonumfang zu erzielen. Das Sustain ist ausgesucht lang und gleichmäßig, auch komplexe harmonische Strukturen erfahren einen langen und sauberen Nachklang. Der kräftige Ton ist auch in den höchsten Lagen zu vernehmen, selbst oberhalb des 12. Bundes ertönt es substanziell und tragfähig. Beim Spiel auf der Belcanto kann man sich des Öfteren dabei ertappen, wie man dem eigenen Spiel mit einer gewissen Begeisterung zuhört und Nuancen unter den Fingern entdeckt, von denen man bisher nichts ahnte. Auch fördert diese Gitarre mit ihrer dynamischen Umsetzung hochdramatisches Spiel mit vielen Klangfarben und Artikulationsdetails.

Viel mehr Komplimente kann man einer klassischen Gitarre kaum machen, auch bei intensiver Suche kann ich keinen Makel und keine Klangschwäche entdecken. Ganz einfach: ein hervorragendes Instrument.

Dank des luftigen, klaren und direkten Sounds ist die Petersen nicht nur für Klassiker, sondern auch für Nylonzupfer anderer Sparten interessant. Jegliche Spielart süd- und lateinamerikanischer Musik passt bestens zu dieser Gitarre, auch Jazzer oder Modernisten mit ausgeprägter Klangästhetik können glücklich werden.

Fazit

Die Belcanto von Gitarrenbauer Gert Petersen ist eine höchst eigenständige Variation zum Thema «Klassische Gitarre».

Material und Verarbeitung sind tadellos, das äußere Erscheinungsbild und das Spielgefühl sind der Preisklasse angemessen. Die ungemein spritzige und lebendige Klangentfaltung stellt zusammen mit dem luftig-transparenten Frequenzsprektum sicher die Stärke dieses Instrumentes dar. Wer einen tendenziell warmen und weichen Klang mit eher defensivem Charakter bevorzugt, wird die Belcanto wohl nicht in die engere Wahl nehmen. Für moderne Fusionisten, Lateinamerika-Liebhaber und Plektrumsolisten könnte sie das passende Instrument sein. Gitarristen mit dynamischen Anschlag und souveräner Spieltechnik werden sich angesichts der beherzten Artikulationsumsetzung begeistert zeigen.

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